Das Optionsmodell

Aus der Sicht der TGS-H sprechen die bisherigen Erfahrungen mit dem Optionsmodell gegen seine Fortführung und sie spricht sich für seine Abschaffung aus.

Gegen die Fortführung spricht zunächst vor allem die Tatsachen, dass in mehr als 50% aller Fälle, die Mehrstaatlichkeit hingenommen wird. So ist es für die meisten Migranten aus EU-Mitgliedstaaten, der Schweiz und auch Nordamerikanischen Staaten kein Problem ihre Herkunfts- neben der deutschen Staatsbürgerschaft weiterzuführen. Hinzu kommt noch eine sehr lange Liste mit Staaten, die eine Entlassung aus der Staatsbürgerschaft nicht kennen oder sie, falls zumindest theoretisch möglich, praktisch doch nicht durchführen. Außerdem kommt für die meisten Flüchtlinge eine Entlassung ebenfalls nicht in Betracht.

Allein aus Gründen der Gleichbehandlung ist es im Sinne der Migranten aus anderen Ländern, die die Entlassung praktizieren, geboten, die Optionspflicht zu hinterfragen. Weiterhin stellt sich die Frage, worin sonst ein sachlich relevanter und rechtlich gebotener Grund besteht, die Mehrstaatlichkeit einem Teil der Migranten zu versagen, wenn man bereits eine Mehrheit von Mehrstaatlern zu tolerieren bereit ist.

Zwar ist weder die Beibehaltung noch die Abschaffung des gegenwärtigen System kategorisch durch völkerrechtliche oder verfassungsrechtliche Normen geboten oder verboten, doch lässt sich  angesichts der politischen und sozialen Folgen der gegenwärtigen Praxis hinreichend negativ feststellen, dass man das Modell als unzureichend und gescheitert bezeichnen kann.

Es ist rechtlich immer noch nicht eindeutig geklärt, wer ein sog. Optionskind ist und auch diejenigen, die sich in der Praxis mit dieser Frage auseinandersetzen müssen, scheinen da immer noch unschlüssig oder überfragt zu sein.

Erst seit kurzem muss sich nun Verwaltung und Gerichtsbarkeit mit dieser Frage eingehender beschäftigen, da nun die ersten Jugendlichen in die Zwangslage gekommen sind, optieren zu müssen. Es ist festzustellen, dass die jungen Menschen mit den zu bearbeitenden Unterlagen häufig kaum zurecht kommen und formale Modalitäten wie Fristen etc. werden leider nicht eingehalten, weil die Anschreiben falsch verstanden oder interpretiert werden. Die Tatsachen, dass letzteres vor allem bei bildungsferneren Menschen oft vorkommt, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.

Die Fälle, dass sich ein Jugendlicher für die deutsche Staatsangehörigkeit entscheidet und sich nun ausbürgern lassen muss, sind besonders heikel. Diese Jugendlichen kennen den Herkunftsstaat - wenn überhaupt- oft nur aus Urlaubsaufenthalten und sind mit der Verwaltungspraxis nicht vertraut. Die erste Hürde ist, dass sie zur zuständigen Auslandsvertretung gehen müssen, die Sprache oft nicht hinreichend beherrschen und im Ausbürgerungsverfahren auf bürokratische Hürden stoßen. Es sind viele Formanträge auszufüllen und für die Ausbürgerung müssen sich diese Jugendlichen oft das erste Mal überhaupt registrieren lassen. Dass die Jugendlichen gleichzeitig eine Beibehaltungserklärung beantragen sollten und die Frist schneller (als womöglich erkannt) abläuft, ist ein weiteres Problem. Die gegenwärtige Praxis ist unter diesen Gesichtspunkten für alle Beteiligten unzumutbar, zumal höchstrichterliche Urteile noch fehlen, um die großen offenen Fragen zu klären. Zur Zeit stellen die Rechtsunsicherheiten, die noch auf Jahre hinaus existieren werden, eine nicht hinzunehmende Situation dar und auch der Verwaltungsaufwand auf staatlicher Seite darf nicht unterschätzt werden, da es keine etablierte, bundesweit koordinierte Methode gibt. Auch existiert ein weiteres Folgeproblem aufenthaltsrechtlicher Natur. Es gibt keine gesetzliche Norm für die Konstellation, falls jemand sich gegen die deutsche Staatsangehörigkeit entscheidet. Es kann nicht sein, dass jemand, der hier geboren wurde und bis zu seinem 18. Lebensjahr Deutscher („auf Zeit“) war, plötzlich nur einen befristeten Aufenthaltsstatus erhält.

In einer Zeit, wo es immer mehr multinationale Ehen gibt und immer mehr Kinder mit der Mehrstaatlichkeit konfrontiert werden, kann es sich weiterhin zu einem ernsten Demokratieproblem entwickeln, wenn sich eine immer größere Lücke zwischen Staats- und Wahlvolk auftut. Junge Erwachsene, die sich bis ins 23. Lebensjahr aktiv partizipieren dürfen, wären plötzlich wieder ausgeschlossen. Man stelle sich die Öffentlichkeitswirkung vor, die ein gegen die deutsche Staatsbürgerschaft optierender Mandatsträger verursachen würde.

Für Integrationsprozesse und die Teilnahme an Demokratie und Gesellschaft wäre es sehr viel effektiver, wenn die doppelte Staatsangehörigkeit hingenommen und auf diese Weise Klarheit geschaffen werden würde. Mehrstaatlichkeit steht nicht der positiven Identitätsbildung der Jugendlichen entgegen, da diese sich ggf. eindeutig von ihrer formalen deutschen Identität lossagen müssen und sich trotz ihres Lebens, dass sich möglicherweise dann bereits in der x-ten Generation in Deutschland weiter abspielt, von der Mehrheitsbevölkerung distanzieren. Der Aufwand und die Kosten, die für dass ganze System entstehen, sind in keinem Verhältnis zu eventuellen, in der Realität sehr seltenen Fällen, wo sich Probleme mit Mehrstaatlichkeit ergeben.

Dr. Cebel Kücükkaraca

Landesvorsitzender