„Doppelte Staatsbürgerschaft“


tgshlogo.gif Die Verunsicherung unter jenen deutschen Staatsangehörigen türkischer Herkunft, die nach dem 01.01.2000 die türkische Staatsbürgerschaft wiedererhalten haben, nimmt angesichts der bevorstehenden Sommerferien in unserem Land zu. Die Sorge ist groß, dass sie eventuell nicht wieder nach Deutschland einreisen dürfen, weil sie nach § 25 des geltenden Staatsangehörigkeitsgesetzes die deutsche Staatsbürgerschaft mit der An-nahme der türkischen Staatsbürgerschaft automatisch verloren haben.
Die TGS-H wendet sich mit diesem Schreiben sowohl an den betroffenen Personenkreis als auch an die zuständigen Stellen.
In den letzten Tagen sind o.g. Personen von den Ordnungsämtern ihres Wohnsitzes be-züglich der Auskunft über ihre Staatsbürgerschaft angeschrieben worden. Statt in dieser Sache umfassend aufklärerisch tätig zu werden, weisen die Behörden in ihren Schreiben lediglich auf den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft nach § 25 Staatsangehörig-keitsgesetz hin.
Die angeschriebenen Personen sollen "zwecks Aktualisierung und Fortschreibung des Melderegisters" einen beigefügten Fragebogen, in dem sie Auskunft über eventuelle Staatsbürgerschaft geben sollen, ausfüllen. Dass dieses Schreiben unter den Adressaten für Unruhe und teilweise Panik gesorgt hat, können wir aufgrund der zahlreichen Anrufe, die uns täglich erreichen, bestätigen. Unsere Bemühungen, betroffene Personen umfas-send über die einzuleitenden Schritte aufzuklären und ihnen ihre Ängste zu nehmen, ha-ben aufgrund dieser Vorgehensweise einen Dämpfer erhalten.
In allen unseren Beratungen richten wir uns nach dem Schreiben [1] des Innenministeri-ums des Landes Schleswig-Holstein vom 23.02.2005. Darin werden alle Landräte der Kreise und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte gebeten, das Schreiben des Bundes-innenministeriums vom 13. Januar 2005 zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten.

Das Ministerium teilt wie folgt mit:

Ein Aufenthaltstitel nach § 38 AufenthG wird nur auf Antrag gewährt. Zugunsten der Be-troffenen wird davon ausgegangen, dass sie erst durch das Inkrafttreten des Zuwande-rungsgesetzes und die damit einhergehende Presseberichterstattung von dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit erfahren haben. Die in § 38 Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannte Frist ist somit eingehalten, wenn der Antrag auf Erteilung eines Auf-enthaltstitels nach dieser Vorschrift bis zum 30. Juni 2005 gestellt wurde. Bei allen nach diesem Zeitpunkt eingehenden Anträgen ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Aufenthaltstitel innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis vom Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beantragt wurde.

Gem. § 38 Abs. 3 AufenthG kann in besonderen Fällen der Aufenthaltstitel abweichend von § 5 AufenthG erteilt werden. Dabei ist bei der Ausübung des Ermessens wohlwollend im Sinne des Antragstellers zu verfahren. Bei Personen, die vor dem 1.1.2005 durch Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit die deutsche verloren haben, ist regelmäßig von einem besonderen Fall im Sinne des § 38 Abs. 3 AufenthG auszugehen.

Sofern Regelausweisungsgründe nach § 54 AufenthG gegeben sind, ist nach Ermessen über den weiteren Aufenthalt zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 AufenthG aufgeführten Umstände zu berücksichtigen. Sofern die Voraussetzungen einer zwingenden Ausweisung nach § 53 AufenthG gegeben sind, wird die Erteilung eines Auf-enthaltstitels in der Regel versagt.

Aus staatsangehörigkeitsrechtlicher Sicht gebe ich folgende ergänzende Hinweise:
Die automatisch verlorene deutsche Staatsangehörigkeit (§ 25 Abs. 1 StAG) kann nur durch erneute Einbürgerung wieder erworben werden.
Für diejenigen türkischen Staatsangehörigen, die nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Asso-ziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) ein Aufenthaltsrecht kraft Gesetzes besitzen und für die somit ein ununterbrochener rechtmäßiger und gewöhnlicher Inlandsaufenthalt vor-liegt, kann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG erfolgen.
Für alle anderen Fälle ist der zu fordernde Inlandsaufenthalt mit Blick auf eine Analogie zu § 12 b StAG (Anrechnung von Voraufenthalten bis zu fünf Jahren) zu prüfen. Ein An-spruch auf Einbürgerung könnte danach frühestens drei Jahre nach letzter Erteilung eines Aufenthaltstitels geltend gemacht werden.

Schließlich kommt für den betroffenen Personenkreis eine privilegierte Ermessenseinbür-gerung nach § 8 StAG in Betracht, da es sich um ehemalige Deutsche handelt.
Unter Anwendung der Nr. 8.1.3.3 StAR-VwV kann eine – nach Lage des Einzelfalles auch erheblich – kürzere Inlandsaufenthaltsdauer als acht Jahre für die Einbürgerung ausrei-chend sein, sofern die darüber hinaus erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
Anträge auf Einbürgerung zum Zwecke eines „Wiedererwerbs“ der deutschen Staatsangehörigkeit sind bevorzugt und unter wohlwollender Ermessensaus-übung zu bearbeiten.


Wir bedanken uns nochmals ausdrücklich für die entgegenkommende und wohlwollende Handhabe dieser Thematik durch das Innenministerium Schleswig-Holsteins.
Im Rahmen ihrer Möglichkeiten hat unsere Landesregierung, haben aber auch andere Landesregierungen wie Hessen oder Berlin, vernünftige Lösungsmöglichkeiten vorge-schlagen. Wir gehen davon aus, dass diese auch so angenommen worden wären, hätte man die Betroffenen in einem stärkeren Maße aufgeklärt und nicht verunsichert. Daraus müssen Lehren gezogen und in Zukunft verstärkt auf die adäquate Vermittlung kompli-zierter Sachzusammenhänge geachtet werden.
Die TGS-H sieht sich aufgrund dieser Geschehnisse noch stärker in die Pflicht genommen, für den von ihr repräsentierten Personenkreis, stärker als bisher, aktiv zu werden.

Ich wünsche uns allen trotz dieser Ereignisse eine erholsame Ferienzeit und hoffe, dass sich die allgemeine Unsicherheit und Unruhe in naher Zukunft legt.