INTEGRATIONSGIPFEL UND VERSCHÄRFUNGEN IM AUSLÄNDERRECHT GEHEN NICHT EINHER


tgshlogo.gif „Die geplanten Verschärfungen im Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht sind eine große Hürde für den Integrationsprozess, der mit dem Integrationsgipfel der Bundesregierung begann“, erklärte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat.

In der Gesetzesbegründung werde der Eindruck erweckt, als seien die verschärfenden Änderungen durch die EU-Richtlinien erzwungen worden. Dies sei nicht richtig, so Kolat. Kolat: „Das Gegenteil ist der Fall; es können günstigere Regelungen geschaffen werden.“

Im Staatsangehörigkeitsrecht werden weitere Hürden aufgebaut, die die Antragsteller/innen abschrecken würden. Die zurückgehenden Einbürgerungszahlen seien ein Beleg für die Verschärfungen seit 1.1.2000. Mit den neuen Regelungen würden praktisch die Einbürgerungen gestoppt.

Die Verschärfungen im Familienzusammenführungsrecht hinderten praktisch den Ehegattennachzug.

Die Deutschland-Türken erwarten von der Bundesregierung, die zurzeit gegeneinander laufenden Prozesse (Integrationsgipfel <> Verschärfungen) zu stoppen und die Verschärfungen zurückzunehmen.



Im Folgenden werden die Kritikpunkte aufgeführt:

I) AUFENTHALTSRECHT

1) § 9a neu – Langfristige Aufenthaltsberechtigung

Diese Regelung (Art. 14ff. der Richtlinie) sieht auf der Grundlage der EU-Richtlinie die Freizügigkeit von Drittsstaatsangehörigen in den EU-Ländern vor. Im Grundsatz ist zu begrüßen, dass z.B. in Deutschland ansässige Menschen ohne einen EU-Pass in einem anderen EU-Land eine Arbeit annehmen und sich dort niederlassen können. Diese Möglichkeit wird aber durch hohe Hürden konterkariert: Sicherung des Unterhalts durch feste und regelmäßige Einkünfte, ausreichende Deutsch-Kenntnisse.

2) § 30 – Ehegattennachzug

a) Nachzugsalter: Obwohl noch im Referentenentwurf weiterhin von 21 Jahren für den Nachzug des Ehegatten steht, gehen wir davon aus, dass das Nachzugsalter bei 18 Jahren liegen wird. Ein höheres Zuzugsalter wäre ein Verstoß gegen Artikel 6 GG.

b) Deutschkenntnisse vor der Einreise: Der Gesetzesentwurf verpflichtet zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse vor der Einreise. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86 EG sieht allerdings nur vor, dass Integrationsmaßnahmen verlangt werden können (Die Mitgliedstaaten können gemäß dem nationalen Recht von Drittstaatsangehörigen verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen). Von Integrationsvoraussetzungen, wie sie nun in §30 Abs. 1 Ziffer 2 AufentG formuliert sind, ist nicht die Rede. Praktisch lässt sich diese zum einen kaum durchführen und würde in vielen Fällen einen Nachzug auf Dauer ausschließen, da in den Herkunftsländern kaum adäquate Möglichkeiten existieren. Diese Regelung konterkariert auf der anderen Seite die Integrationskurse, an der teilzunehmen die Einreisenden verpflichtet sind.
Diese Regelung ist im Ergebnis weder mit Art. 8 EMRK noch mit Artikel 6 GG vereinbar.

3) § 38 – Aufenthaltstitel für ehemalige Deutsche

Es handelt sich hierbei um Personen, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben (darunter mehr als 50.000 türkischstämmige Deutsche, die nach ihrer Einbürgerung nach dem 1.1.2000 die türkische Staatsangehörigkeit angenommen haben, obwohl sie z.B. ihre Wiedereinbürgerungsanträge in den Jahren 1997, 1998, 1999 gestellt haben, aber die Bearbeitung ihrer Anträge in der Türkei erst nach dem 1.1.2000 beschieden wurde.

Bei diesem Personenkreis gibt es massive Probleme, da sie ihren alten Status vor der Einbürgerung (in der Regel unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung) nicht wieder bekommen haben. Dies ist auf die Regelung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 zurückzuführen, die eine Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nur für die Personengruppe vorsieht, die bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit seit 5 Jahren als Deutscher ihren gewöhnlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik hatten. Da aber viele nur 2-3 Jahre Deutscher waren, kommen sie nicht in den Genuss dieser Regelung.

Hinzu kommen folgende weitere Probleme:
a) Bei Bezug von Sozialhilfe könnte die befristete Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängert werden.
b) Insbesondere können Rentner, die ihren Lebensabend u.a. in der Türkei verbringen z.B. von der Regelung des § 51 Abs. 2 nicht Gebrauch machen, die ihnen die Möglichkeit einräumt, länger als 6 Monate außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu leben, ohne das ihr Aufenthaltstitel erlischt. Damit sie länger als 6 Monate außerhalb der Bundesrepublik verweilen können, stellt die Ausländerbehörde eine Bescheinigung aus, aber nur für die Personengruppe, die eine Niederlassungserlaubnis hat. Demnach kann für diese Personengruppe diese Bescheinigung nicht ausgestellt werden.

Ein weiteres Problem ist, dass hier ein Sozialhilfebezug aufgrund der geringen Rente einen Ausweisungsgrund darstellt.

Dieses Problem ist daher aus integrations- und haushaltpolitischen Erwägungen zu beseitigen. Die einfachste Lösung wäre die Streichung zweier Wörter im § 38 AufentG:

§ 38 Aufenthaltstitel für ehemalige Deutsche
(1) Einem ehemaligen Deutschen ist
1. eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit seit fünf Jahren als Deutscher seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte,
2. eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit seit mindestens einem Jahr seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte.

II) STAATSANGEHÖRIGKEITSRECHT

1) § 10 Anspruch eines Ausländers auf Einbürgerung

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ist auf Antrag einzubürgern, wenn er

(…)
3. den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann,

(…)

(…) Von der in Satz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzung wird abgesehen, wenn der Ausländer das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund den Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann.

Der Gesetzgeber möchte diese Möglichkeit für Jugendliche mit der Begründung aus dem Gesetz streichen, die Gruppe der lern- und arbeitswilliger Jugendlichen nicht privilegieren zu wollen.

Diese Streichung bedeutet eine weitere Verschlechterung und Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts und wird sich integrationspolitisch kontraproduktiv auswirken.

2) Bundesweite Einbürgerungsstandards

Die IMK hat bereits bundesweite Einbürgerungsstandards beschlossen. Zurzeit wird auf der IMK der standardisierte Fragenkatalog diskutiert. Es ist zu befürchten, dass dadurch weitere Verschärfungen in das Gesetz aufgenommen werden. Dabei geht es insbesondere um die Deutschkenntnisse. Die Innenminister hatten im Mai d.J. beschlossen, das Sprachniveau an B1 des gemeinsamen europäischen Sprachrahmens zu orientieren, was durch einen schriftlichen und mündlichen Sprachtest nachgewiesen werden soll. Diese Regelung soll nun durch weitere Formulierungen nochmals verschärft werden.

Die Einführung der Einbürgerungstest ist eine weitere Hürde bei der Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit.

TGD