Podiumsdiskussion zur den Landtagswahl in der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein


PD 1 Mit jeweils einer Kandidatin*einem Kandidaten aus sechs verschiedenen Parteien fand am Abend des Karfreitags die Podiumsdiskussion bezüglich der schleswig-holsteinischen Landtagswahlen 2022 statt.

Dr. Cebel Küçükkaraca – Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. und Rawad Zyadeh – Vorsitzender der Syrischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. begrüßten alle anwesenden Gäste, die trotz Feiertag und des Fastenmonats Ramadan zahlreich erschienen waren.

Dr. Küçükkaraca machte auf die Erweiterung des Wahlrechts auf kommunaler Ebene für Menschen, die lange genug in Deutschland lebten, aufmerksam. Damit sei aber die Lebenswelt vieler Migrant*innen noch nicht in Ordnung, denn Partizipation hatte noch weitere Faktoren zu berücksichtigen.

Rawad Zyadeh betonte in seinen Grußworten die Notwendigkeit dieser Podiumsdiskussion. Die Menschen, die vor mehr als fünf Jahren aus Syrien nach Deutschland flohen, seien nun keine Flüchtlinge mehr, sondern teilweise schon eingebürgerte Syrisch-Deutsche. Somit müsse die Politik sowohl für sie greifbar sein und als auch sie ansprechen.

Um mit Serpil Midyatlı (SPD), Tobias von der Heide (CDU), Nelly Waldeck (Bündnis90/Grüne), Knut Voigt (FDP), Lars Harms (SSW) und Johann Knigge-Blietschau (Die Linke) zu diskutieren, setzten sich die beiden Vereine vorab mit ihren Wahlprogrammen auseinander.

Die beiden Vereine erarbeiteten ebenfalls Handlungsbedarfe und Forderungen, die der Moderator Aljoscha Tischkau in Form von Diskussionsfragen den Kandidat*innen stellte.

Im Themenblock „Bildung und Arbeit“ diskutierten die Kandidat*innen und Gäste besonders intensiv miteinander. Im Grunde waren sich alle einig darüber, dass Bildungsmaterialien didaktisch von Expert*innen regelmäßig überarbeitet werden müssen. Ebenso muss das Lehramtsstudium die diversitätsorientierte Arbeit stärker beinhalten, damit Schüler*innen weder in Bildungsmaterialien noch in ihrer Bildungslaufbahn Diskriminierungen und Rassismus widerfahren.

Besonders beleuchtet wurde auch der Herkunftssprachenunterricht mit Fokus auf die türkische Sprache. Hier appellierten insbesondere die Gäste für die Institutionalisierung und Anerkennung als weitere Fremdsprache. Das Konzept des Unterrichts mit sog. Konsulatslehrkräften muss novelliert werden. Die Ausbildung von Lehrkräften an Universitäten darf nicht dazu führen, dass Lehrkräfte, die Türkisch als eines ihrer Fächer studierten, sich umorientieren müssen, da dieser Unterricht an Schulen als bspw. Wahlpflichtfach nicht in Lehrplänen vorzufinden ist. Dr. Reyhan Kuyumcu (Lehrbeauftrage für Türkisch an der CAU) beichtete den Anwesenden, dass Studierende an der CAU lediglich ein Zertifikat bekommen, mit dem sie zum Unterrichten berechtigt sind, aber dies zusätzlich zu ihren zwei Fächern studieren müssen.

Außerdem forderten die Gäste von den Kandidat*innen, dass neue Wege gefunden werden sollten, um Menschen schneller zu qualifizieren und somit ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und auch dem Fachkräftemangen entgegenwirken zu können.

In der Kategorie „Gesundheit und Soziales“ diskutierten die Wahlkandidat*innen die Sinnhaftigkeit einer Mietpreisbremse. Während sich 2/3 der Vertreter*innen dafür aussprachen, waren zwei Parteivertretende dagegen. Aber auch die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt wurde ausdiskutiert, dass die Landesregierung zu Sorge tragen hat, dass Menschen keiner Ungleichbehandlung durch Wohnungsunternehmen ausgesetzt sind. Um den Marktwettbewerb ausdifferenzieren zu können, sprachen sich einige Politiker*innen auch für den kommunalen Wohnungsbau aus. Ebenso vonseiten der Politik kam der Vorschlag, bspw. das Kieler Umland zu betrachten. Also mit umliegenden Kreisen zu kooperieren, um dort den Wohnungsbau zu fördern, statt Neubausiedlungen bzw. Stadtteile nur mit Einfamilienhäusern zu bilden.

„Antirassismus, Antidiskriminierung, gesellschaftliche Teilhabe“ zog sich durchweg durch die Veranstaltung, wurde aber bei der Frage zu anonymisierte Bewerbungsverfahren in der öffentlichen Verwaltung, Ministerien und Schulen nochmals aufgegriffen. Hier wäre die Einführung des Amtes der*des Antidiskriminierungsbeauftragen für die Umsetzung des Landesaktionsplans nützlich. Mit Koordination und Maßnahmen sollte sichergestellt werden, dass Menschen nach einem anonymisierten Bewerbungsverfahren nicht Gefahr laufen, im Bewerbungsgespräch oder nach der Einstellung Diskriminierungen und Rassismus ausgesetzt zu sein.

Für das letzte Themenfeld „Rechtliches“ blieb zwar nicht mehr viel Zeit zum ausführlichen Austausch übrig, dennoch wurden über das Einführen des kommunalen Wahlrechts und auch die Befürwortung der doppelten Staatsbürgerschaft von politischer Seite und der Seite der Anwesenden betont.

Eine besonders wichtige Forderung der syrisch-stämmigen Anwesenden war die Abschaffung der erzwungenen Passbeschaffung für den Erhalt eines Aufenthaltstitels bei der Zuwanderungsabteilung. Die Politik wurde dazu aufgefordert, die Menschen hinsichtlich der Passbeschaffung zu entlasten, da die Kosten für einen syrischen Pass bei ca. 700€ pro Person liegen und nur zwei Jahre gültig sind.

Abschließend haben die Kandidat*innen sich dazu ausgesprochen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, um die Menschen zu entlasten und ein gelingendes Miteinander im Land zu fördern.