Stellungnahme


tgshlogo.gif Mit neuen Schwerpunktbereichen, einschließlich von Themen wie rechtliche Rahmenbedingungen im Bereich der Diskriminierung und des Staatangehörig-keitsrecht, hat das Schleswig-Holsteinische Integrationskonzept vom Juni 2002 ein umfassendes Programm für die Verbesserung der Integration im Lande vorgelegt. Das wegweisende Konzept wird nun vom Nationalen Integrations-plan ergänzt. Hier werden vergleichbare Handlungsfelder mit Umsetzungsver-einbarungen und –verpflichtungen präsentiert, die vorwiegend als sozial- und bildungspolitische Aufgaben dargestellt werden. Als eigenständige Handlungs- oder Problemfelder wurden hier Diskriminierung, Staatangehörigkeits- und Wahlrecht ausgeklammert. Die rechtliche Gleichstellung und ein modernes, den Bedürfnissen aller Menschen gerecht werdendes Staatsangehörigkeitsrecht werden nach wie vor nicht ausreichend angestrebt.

Die Landesregierung hat als Antwort auf den Nationalen Integrationsplan einen Bericht veröffentlicht, der den Stand und die Umsetzung der Integrationsmaß-nahmen und Projekte in Schleswig-Holstein inventarisiert und Schwerpunkte für künftige Entwicklungen definiert. Zu diesem vorliegenden Bericht wurde die TGS-H aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen als Migrantenselbsthilfeorgani-sation darum gebeten, Stellung zu nehmen.

Erstens kann mit Sicherheit betont werden, dass der Bericht der Landes-regierung ein hohes Maß an Verantwortlichkeit und Kompetenz bei der Bewäl-tigung der Integration von Migranten und Migrantinnen in Schleswig-Holstein zeigt. Es ist ein ganzes Stück Entwicklung in der Gesellschaft und ihrer Bürger eingetreten. Auf diesem richtigen Weg werden sehr viele Konzepte mit ge-meinsamen Partnern erarbeitet und tatkräftig umgesetzt. Es ist ein breites An-gebot an Maßnahmen und ein sicherer Wille zur Zusammenarbeit vorhanden.

Zweitens wurden viele ursächliche Probleme, die Integration in der Vergangen-heit hinderten, ermittelt und finden durch geeignete Maßnahmen und Ansätze im Integrationskonzept in Schleswig-Holstein und im Nationalen Integrations-plan ihren Niederschlag. Als zentrale Aufgabe haben sie gemeinsam die besse-re Bildung der heranwachsenden Kinder als Schlüssel zur Integration aner-kannt. So sind in Schleswig-Holstein u.a. vorschulische Maßnahmen wie SPRINT, die Weiterentwicklung von DaZ-Zentren, verstärkte Elternarbeit und Fachtagungen für die Interkulturelle Erziehung notwendige Schritte, um Kinder von Migrantenfamilien einen bessere Ausgangslage zu ermöglichen. Projekte und Unterstützung für Jugendliche zur Ausbildungsvorbereitung vor Schulab-gang sind ebenso notwendige Maßnahmen für die Integration. Bei der Durch-führung der angesetzten Maßnahmen sollte stets auf eine zügige, effiziente Umsetzung sowie einer engen Zusammenarbeit mit den betroffenen Migranten geachtet werden. Damit erreicht man die höchst notwendige Akzeptanz aller Seiten. Erfolgreiche Modellprojekte, die vor allem die Einbindung der Migranten und ihrer demokratischen Organisationen fördern, sollten möglichst in festen, institutionellen Strukturen überführt werden, um für ihre Nachhaltigkeit zu sorgen und langfristigen Erfolg zu sichern.

Nach wie vor ist es bedauerlich, dass wenig Raum für muttersprachlichen Un-terricht weiterer Fremdsprachen in den Schulen eingeräumt wird. Vorhandene Fähigkeiten der Migrantenkinder werden hiermit bestenfalls übersehen, wenn nicht offen vernachlässigt und als Ressource ignoriert. Der Ausbau der Mutter-sprache durch regelmäßige, didaktisch fundierte Unterrichtsmethoden, die die Kinder für das Erlernen der deutschen Sprache auch benötigen, kommt für die Mehrzahl der Migrantenkinder leider viel zu kurz. Durch die Zurückstellung der Muttersprache spüren viele Migranten eine unterschwellige Ignoranz gegen-über ihrer Herkunft oder auch einen vermeintlichen Assimilierungsdruck. Dies führt wiederum zu falschen Reaktionsstrategien und Fehlern, die die ganze Ge-sellschaft betreffen.

Erfolgreiche Integration für Migranten erfordert den Austausch und die Ausei-nandersetzung mit der neuen, angenommenen Sprache und Kultur, jedoch auch auf der Grundlage des schon erlernten sprachlichen und sozialen Sys-tems. Viele Menschen glauben, wenn Migrantenkinder ihre Herkunftssprachen auf dem Schulhof sprechen, dass sie keine Lust auf die deutsche Sprache ha-ben oder sie nicht lernen wollen. Demgegenüber haben viele Migranteneltern Angst davor, wenn ihre Kinder die Herkunftssprache nicht lernen oder ableh-nen. Sie meinen, dass ihre Kinder einen Teil ihrer Identität und zusätzliche Fä-higkeiten verlieren würden. Zutreffend ist aber, dass die Erziehung der Migran-tenkinder dort reibungsfreier gelingt, wenn sie die Möglichkeit erhalten, sowohl in der deutschen wie auch in der Sprache der Eltern und Großeltern einen möglichst fortgeschrittenes Verständnisniveau zu erreichen. Die eine Sprache schließt die andere nicht aus, wenn man beide Sprachen sicher beherrscht. Die Welt der Kinder von heute ist global und mehrsprachig. Hauptziel muss es da-her sein, alle Kinder für den Alltag, ihren schulischen Werdegang und das wei-tere Berufsleben so auszurüsten, dass sie als mündige, selbstbewusste Bürger agieren und Lebensentscheidungen auf der Basis von Wissen und Kompetenz treffen können. Dafür benötigen sie in der globalisierten Welt auch viele Spra-chen. Um diesen Erziehungsauftrag zu erfüllen, benötigen Migranten aber eine vertiefte Unterstützung durch die Schulen und das Bildungswesen.

Migrantenfamilien sind darauf stolz, wenn sie und ihre Kinder in ihrer neuen Heimat gut zurechtkommen. Um dieses zu erreichen, sind sie jedoch auf die Hilfe von sozialen Einrichtungen und deren Angebote angewiesen. Im Schles-wig-Holsteinischen und im Nationalen Integrationsplan sind eine ganze Band-breite sozialer Aufgaben formuliert. Die Auflistung der schon initiierten Maß-nahmen und ihre Umsetzung sowie geplante Vorhaben im Bericht der Landes-regierung sind beachtlich und müssen anerkannt werden. Viele soziale Themen wie Bildung, Erwerbsleben, Gesundheit, Sport, bürgerschaftliches Engagement und Medien wurden als Handlungsfelder definiert, so dass es nicht leicht ist, Vorschläge für weitergehende Bedürfnisse zu machen. Auch wurden unter-schiedliche Zielgruppen in dem Kreis der Migranten wie Kinder, Mädchen, Frauen und Senioren bedacht. Einer Zielgruppe wurde aber doch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl sie leider die meisten schwerwiegenden Probleme bei der Integration aufweist und häufiger durch negative Schlagzei-len auffällt. Junge männliche Migranten tauchen als Zielgruppe in beiden Integ-rationsplänen nur marginal auf und werden am wenigsten durch speziell auf sie abgestimmte Projekte und Maßnahmen unterstützt, es sei denn, dass sie durch negatives Verhalten hervortreten oder vom Schulmisserfolg betroffen sind. Frühe Förderung und präventive Maßnahmen zugeschnitten auf die Bedürfnisse von jungen männlichen Migranten sind selten, aber dringend notwendig.

Dr Cebel Kücükkaraca
(Landesvorsitzender)