Angela Merkel´s überholte Vorstellung von der „Priviligierten Partnerschaft“ der Türkei mit der EU


Europa.gif In der Diskussion um eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei macht sich die Erkenntnis breit, dass die CDU-Vorsitzende Angela Merkel nicht müde wird, darauf hinzuweisen, dass sie dagegen ist. Es ist anzunehmen und daher äußerst bedauerlich, dass Frau Merkel mit diesem außenpolitischen Thema innenpolitisch punkten möchte. Angesichts der zeitlichen Nähe zu bevorstehenden Wahlen - am vergangenen Sonntag wurde in zwei Bundesländern gewählt (Brandenburg und Sachsen) - ist dies nicht von der Hand zu weisen.
Anscheinend ist sich Frau Merkel der Tatsache bewusst, dass sich dieses Thema sehr gut für Wahlkämpfe eignet und die Erfahrung aus dem Jahr 1999, als die CDU in Hessen ihren Wahlkampf einzig und allein auf die „Doppelte Staatsbürgerschaft“ focusierte, gibt ihr recht.
Durch derartige Äußerungen geht jedes mal ein Stück des gesellschaftlichen Friedens verloren. Der Eindruck wird erweckt, die Türkei gehöre nicht dazu. Dies wirkt auf die hier lebenden und arbeitenden Migranten jeder Generation, gleichwohl ob sie bereits einen deutschen Pass haben oder nicht, ausgrenzend.
Vor dem Hintergrund der jahrzehntealten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland und der immer weiter voranschreitenden Zusammenarbeit auf kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Ebenen sollte sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel vergegenwärtigen, dass sie durch Ihr Vorgehen „Porzellan“ zerschlägt, das sie in naher bzw. ferner Zukunft- darüber entscheiden die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes spätestens 2006 wieder- als eventuelle Kanzlerin wieder zusammenflicken müsste.
Ihr Vorschlag der Türkei eine „privilegierten Partnerschaft“ anzubieten führt den gesamten Prozess der türkisch-europäischen Beziehungen ad absurdum und missachtet den Umstand, dass die EU keine derartige Partnerschaft kennt. Im Übrigen ist die Türkei bereits durch die 1995 vollzogene Zollunion mit der EU privilegiert- ein Umstand den die 10 neuen EU-Staaten nicht vorweisen können.
Die EU Staats- und Regierungschefs haben sich vor mehr als 10 Jahren darauf verständigt, den Beitrittsprozess unter normativen Gesichtspunkten zu gestalten
Die Türkei ist seit 1999 offizieller Beitrittskandidat und durchläuft dabei dasselbe Prozedere wie alle anderen Beitrittskandidaten. Nur und wirklich nur auf der Grundlage der sog. „Kopenhagener Kriterien“ sollte darüber entschieden werden, ob der Türkei eine Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt wird oder nicht. Dabei sieht der Fahrplan keine bestimmte Frist vor, zu dem ein Kandidat beitreten kann oder sollte. Mit einem schnellen EU- Beitritt der Türkei ist nicht zu rechnen. Vielmehr ist davon auszugehen, in dieser Frage sind sich ausnahmsweise alle einig, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei mehr als zehn Jahre dauern werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man der Türkei wohl keine EU-Reife attestieren, sehr wohl aber den Willen und die Fähigkeit. Dies hat das Land durch die Umsetzung und Verwirklichung längst fälliger Reformen, die ohne die EU-Beitrittsperspektive nicht in dem Ausmaß und Tempo verwirklicht worden wären, deutlich unter Beweis gestellt. Das zeigt, dass Europa sehr wohl etwas innerhalb der Türkei beeinflussen und ändern kann. Galt der EU-Beitritt der Türkei noch vor wenigen Jahren wegen der Menschenrechtssituation als unwahrscheinlich bzw. nicht akzeptabel, wird darüber kein Wort mehr verloren. Selbst Frau Merkel schiebt andere Gründe gegen eine türkische EU-Mitgliedschaft vor. Von ihrer Seite heißt es, eine Vollmitgliedschaft würde die Integrationskraft der gerade erweiterten Union überfordern. Selbstverständlich sind auch diese Gesichtspunkte zu berücksichtigen, aber sie rechtfertigen keine totale Ablehnung.
Und reduziert man die Türkei nur auf die eventuellen Kosten, die ihr EU-Beitritt verursachen würde, so ist dies eine allzu kurzfristige Betrachtungsweise.
Schon jetzt ist der türkische Markt hinter China der zweitgrößte Wachstumsmarkt weltweit; der Anteil der unter 30 jährigen liegt bei 50% und stellt damit einen Gegensatz zu der EU-weiten Altersentwicklung dar; mit ihrer Lage nimmt sie nicht nur strategisch eine wichtige Rolle ein, sondern auch ökonomisch.
Die gesamte Diskussion lässt sich auf einen simplen Satz reduzieren: Behandelt die Türkei wie jeden anderen Kandidaten- nicht besser aber auch nicht schlechter.
Gerade im Hinblick auf die bevorstehenden Landtags- und Kommunalwahlen, wäre es im Sinne des Fairplays begrüßenswert, wenn man sich in Zukunft mit derartigen Äußerungen zurückhalten würde.

Atilla Koçer Dr. CebelKüçükkaraca Stell.Landesvorsitzender Landesvorsitzender