Unterschriftenaktion gegen EU-Vollmitgliedschaft der Türkei stößt auf Ablehnung


Europa.gif Kiel, den 12.10.2004
Die TGS-H kritisiert Pläne der CDU-Parteivorsitzenden Angela Merkel, eine Unterschriftenaktion gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei zu starten, mit Nachdruck. Angeregt durch den CSU-Landesgruppenchef Michael Glos scheint die CDU Vorsitzende die negativen Folgen einer derartigen Aktion sowohl für die Innen- als auch die Außenpolitik Deutschlands zu unterschät-zen oder bewusst in Kauf zu nehmen.

Dieser Vorschlag erntete sofort – bis auf wenige Ausnahmen – Kritik über alle Parteigrenzen hinweg und sogar aus den eigenen Reihen.

Unterschriftenaktionen dieser Art haben einen faden Beigeschmack. Das war 1999 bereits so, als wieder die CDU und ihr damaliger Spitzenkandidat, Roland Koch, den Landtagswahlkampf in Hessen zur Abstimmung über die doppelte Staatsbürgerschaft stilisierten. In jener Zeit Ausländer, insbeson-dere Türke zu sein, war kein besonders angenehmes Gefühl. Es wurde der Eindruck vermittelt, als ob die hier lebenden Ausländer den Deutschen et-was wegnehmen würden oder mit der doppelten Staatsbürgerschaft gar besser gestellt wären. Jetzt wird erneut ein ähnliches Bild gezeichnet und die Union möchte sich wiederum eines Instruments bedienen, das sie und die anderen Parteien bis auf die Grünen zu recht über Jahrzehnte ablehn-ten, dem Volksentscheid. Nennen wir es doch beim Namen. Diese ins Auge gefasste Unterschriftenaktion ist nichts Anderes als ein Volksentscheid. Und weil die Deutschen, im Übrigen nicht nur sie, schlechte Erfahrungen mit Volksentscheiden gemacht haben, wurde hierzulande auf dieses plebiszitäre Element verzichtet. Volksentscheide haben den großen Nachteil, dass sie komplizierte Sachfragen simplifizieren, denn zur Auswahl steht ja bekannt-lich nur ein Ja oder Nein.

Ist es darüber hinaus nicht unfair und gerade zu beschämend, dass die CDU/CSU erwägt, Bürger/innen dieses Landes nicht nur über ein anderes Land, sondern auch über ihre türkischen Mitbürger/innen abstimmen zu las-sen?

Heute schon den Riegel zuzuschieben und Gespräche mit der Türkei abzu-lehnen bedeutet nichts Anderes als die Türkei der Chance zu berauben zu beweisen, dass ihr Beitritt der EU und insbesondere Deutschland genauso zugute kommen kann wie umgekehrt. Dies ist angesichts der über 40jährigen europäisch-türkischen Beziehungen nur anständig.
Außerdem wird die Ergebnisoffenheit der bevorstehenden Gespräche immer wieder betont. Vielleicht kommt die Türkei während der Verhandlungen selbst zu dem Ergebnis, dass eine sonst wie geartete Partnerschaft besser zu ihrem Staatsverständnis passt, so wie einst die Schweiz oder Norwegen.


Wenn die Diskussion um den EU-Beitritt der Türkei in der Bevölkerung so kontrovers erörtert wird wie der CSU-Vorsitzender Stoiber meint, dann muss diese Debatte mehr mit Sachverstand und Sachkenntnis geführt wer-den als sich dem Vorwurf der „geistigen Brandstiftung“ auszusetzen.

Dr. Cebel Küçükkaraca
Landesvorsitzender