Gedenkveranstaltung für Uğur Mumcu in Kiel


Von der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. organisiert, fand am 21.01.2012 anlässlich des 19. Todesjahres des ermordeten türkischen Autors und Journalisten Uğur Mumcu eine Gedenkveranstaltung für den Reporter und weitere durch politische Motive getötete Journalisten der Türkei, wie zum Beispiel Muammer Aksoy, statt.
Als Ehrengast der Veranstaltung in den Räumlichkeiten der TGS-H war der ehemalige Minister für Kultur und Tourismus und heutiger Vizepräsident der Stiftung der Zeitung Cumhuriyet, Alev Coşkun eingeladen. Die zahlreich erschienen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten großes Interesse. Die Veranstaltung fing mit einer Schweigeminute für Uğur Mumcu und die ermordeten Journalisten an.

In seiner Eröffnungsrede betonte der Landesvorsitzende der TGS-H, Dr. Cebel Küçükkaraca, dass Menschen, die ihrer Kultur mit einer tiefen Liebe verbunden waren, zu früh aus unserer Mitte entrissen worden sind. Er wies darauf hin, dass die Liebe, die eine Gesellschaft zusammenschweiße, durch solche Anlässe nicht weiter abnehmen dürfe.
Küçükkaraca: „Wir haben uns heute versammelt, um Menschen zu ehren, die sich für ihr Land und seine Kultur eingesetzt haben und ihrer Gesellschaft in Liebe verbunden waren. Leider mussten wir auch mit Sorge feststellen, dass diese vorhandene Liebe durch Motive der Intoleranz und des Zornes ersetzt worden ist. Wir erleben eine Entwicklung, in der diese schönen Werte durch politisches Gedankengut, Ideologien, persönlichen Interessen und Egoismus verhindert und vernichtet werden. Obwohl Anatolien der Ort ist, an dem Dialoge und Liebe unter Menschen am Fruchtbarsten war, wurden seine Menschen mit dieser Ungerechtigkeit konfrontiert. Ich bin der Meinung, dass wir niemals die Liebe verlernen, sondern sie auf die nächsten Generationen übertragen müssen. Es ist die Liebe, die Menschen am Leben hält und Niemand hat das Recht, diese Werte zu vernichten.“

Alev Coşkun begann seine Rede, indem er an die getöteten Journalisten gedachte. Er bedankte sich bei den Teilnehmern für ihr reges Interesse: „Hier haben wir eine sensible und bewusste Gesellschaft. Eine bewusste Gesellschaft ist im Gegensatz zu einer unbewussten Gesellschaft immer die Stärkere.“

Mit dem Blick durch die zerbrochene Brille von Uğur Mumcu bewertete Coşkun die Entwicklung der aktuellen Politik und Wirtschaft der heutigen Türkei und kommentierte die Themen der Innen – und Außenpolitik, der politischen Entwicklung, der gesellschaftlichen Ereignisse und des wirtschaftlichen Verlaufs des Jahres 2011.
Er betonte, dass bevorstehende Themen wie die Arbeiten an der neuen Verfassung, das nach dem Wahljahr 2011 veränderte politische Bild, die inhaftierten Abgeordneten, die Balyoz- und Ergenekon- Verhandlungen das Jahr 2012 dominieren werden.
„Möge der Parlamentspräsident auch noch so viel Eifer zeigen, noch so viele anregende Reden halten, so erhält er trotzdem von Seiten der zivilen Organisationen und Universitäten keine große Anteilnahme und Unterstützung für die Verfassung. Die Universitäten, die Gewerkschaften und die zivilen Organisationen scheuen sich davor, ihre Ansichten darzulegen. Der Grund für diese Schweigsamkeit ist die erschaffene 'Zeit der Angst'. Aus diesem Grund bin ich mir nicht sicher, ob die neue Verfassung eine Lösung für die jetzigen Probleme sein wird.“

Alev Coşkun schnitt auch das Thema Presse und Medien an. Als Ergebnis einer Angstgesellschaft kommt es zu Verhaftungen von Journalisten, noch bevor ihre Bücher gedruckt werden; die Presse werde in drei Kategorien unterteilt: Anhänger, „Gefärbte“ und Gegner.

Zu den Themen Außenpolitik und wirtschaftliche Entwicklung führte Coşkun aus: „In der Außenpolitik fing die Reise ohne Probleme an, aber die Situation entwickelte sich nicht wie erwartet. Der arabische Frühling entwickelt sich zunehmend zu einem Winter. Der Nahe Osten befindet sich gerade in einer kritischen Situation. Hauptthemen sind der in Malatya aufzubauende Raketenabwehrschirm, die Drohung des Iran, die Straße von Hormus zu schließen und die politischen Abläufe in Syrien und Ägypten. Im Nahen Osten wird Schach gespielt. Wichtig ist hier, welche Rolle die Türkei übernehmen wird.
Die globale Finanzkrise ist immer noch nicht vorbei. Die Krise, die 2007 in den Vereinigten Staaten von Amerika anfing, hat immer noch Einfluss auf das Jahr 2012 und keiner weiß, wann diese ein Ende haben wird. Viele Länder, auch europäische, sind von der Krise beeinflusst worden und sind wirtschaftlich zusammengebrochen. Den geringsten Einfluss hat die Krise auf Länder wie Deutschland, die sich auf Handel und Produktion berufen können. Während die Türkei diesen Verlauf überstand, kam es aufgrund der angewandten Politik zu keinem großen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation des Volkes. Daher kommt es zu keiner Reaktion seitens des Volkes. Der Unterschied zwischen Import und Export ist, dass das offene Budget und das laufende Defizit als die größten Probleme dastehen. Wenn die Türkei das Problem des laufenden Defizits nicht lösen sollte, wird sie in naher Zukunft große Probleme erleben.“

Abschließend beantwortete Coşkun Fragen der Teilnehmer, bevor die Veranstaltung nach einer lebhaften Diskussionsrunde ihren Abschluss fand.