Der Einbürgerungsfragebogen für Muslime ist unakzeptabel


tgshlogo.gif Kiel, 11.01.2006
Die TGS-H ist über den Fragebogen für Einbürgerungskandidaten muslimischen Glaubens in Baden-Würtemberg bestürzt. Dieser Fragebogen, der seit dem 01.01.06 angewandt wird, um die Demokratiefähigkeit, Gesinnungskonformität bzw. den Integrationsstand ausschließlich muslimischer Zuwanderer festzustellen, ist in seiner Anwendung, Zweck und Form höchst problematisch.

Erstens ist zu fragen, ob es rechtens, ja gar methodisch sinnvoll ist, die Verfassungstreue bzw. Wertvorstellungen von Einbürgerungskandidaten mit einem derartigen Fragebogen zu hinterfragen und mit Sanktionen bei unzufrieden stellenden Antworten zu versehen, wenn selbst dieser Fragebogen von einem Ex-Bundesjustizminister als verfassungswidrig eingestuft wird, da er nur für Muslime zur Anwendung kommt. Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes besagt, dass niemand wegen seines Glaubens benachteiligt werden darf. Unter dem angegebenen Vorsatz, die Sicherheit im Lande schützen zu wollen, stellt man mit diesem Fragebogen eine ganze Personengruppe unter Generalverdacht. Es wird in Kauf genommen, die Rechte rechtschaffener, friedliebender Migranten aufs Spiel zu setzen. Die Werte unseres demokratischen Grundgesetztes kann man schlecht mit undemokratischen, diskriminierenden Methoden schützen. Die Verantwortlichen haben hier ein Eigentor geschossen.

Zweitens ist auch der Zweck dieser Übung, demokratieunfähige oder integrationsunwillige Einbürgerungskandidaten muslimischen Glaubens, zu ermitteln, verfehlt. Menschen, die tatsächlich für die innere Sicherheit eine Gefahr darstellen, würden so einen Fragebogen kaum wahrheitsgemäß beantworten. Der Fragebogen erfasst die Zielgruppe dementsprechend nicht. Der vermeintliche Sinn und Zweck des Fragebogens wird nicht gewahrt. Also entbehrt dieser Fragebogen jeglicher Bedarf.

Drittens ist der Inhalt dieses Fragebogens höchst unzufrieden stellend. Anstatt Wissen über das Grundgesetz, das Sozial- und Wirtschaftssystem des Landes zu lehren und sie danach abzufragen, werden Antworten auf gängige Vorurteile, wie sie in der Boulevardpresse regelmäßig aufgetischt werden, verlangt. Dieser Fragebogen besitzt keinen wissenschaftlichen Wert, um eine ausschlaggebende Rolle für die Entscheidung für oder gegen die Einbürgerung von Einwanderer zu spielen. Ein Fragebogen in dieser Form ist keineswegs akzeptabel.

Wenn dieser Fragebogen in der Anwendung verfassungswidrig ist, vom Zweck her verfehlt und formal unakzeptabel, stellt sich zum Schluss insbesondere eine Frage. Wie kommen einige recht erfahrene Politiker dazu, einen offensichtlich schlechten „Gesprächsleitfaden“ zu erstellen und ihre Landesbedienstete anzuweisen, diesen Fragebogen anzuwenden? Wie so oft in der jüngsten Vergangenheit – die Unterschriftenkampagne aus Hessen lässt grüßen - werden die Interessen und Rechte von Migranten aus parteipolitischem Kalkül angesichts bevorstehender Wahlen durch gezielten Populismus missachtet.

Es bleibt nur eine Alternative. Anstatt eines schlechten politischen Zeichens für die Integrationsbemühungen der Mehrheit der Migranten in Deutschland durch einen minderwertigen Fragebogen zu setzten, sind umfassende Integrationshilfen auf breiter Basis von Nöten. Und schließlich kann man es nur begrüßen, dass sich viele Politiker gegen diesen Fragebogen und dessen Praxis aussprechen. Sie erkennen die Gefahr, die solche Aktionen verbirgt.