AUSSTELLUNGSANKÜNDIGUNG


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„Jahrelang habt ihr euch nicht um uns gekümmert“/„Yıllarca bize sahip çikmadınız”
Momentaufnahmen zur Geschichte der Arbeitszuwanderung aus der Türkei
Türkiye den işçi göçü öyküsünden kısa görüntüler

Die Ausstellung ist ein gemeinsames deutsch-türkisches Forschungs-, Ausstellungs- und Begegnungsprojekt von Stadtmuseum, Stadtarchiv und Referat für Migration der Landeshauptstadt Kiel mit der Agentur für Arbeit, der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. und dem Türkischen Generalkonsulat Hamburg.

Zur Ausstellungseröffnung am Sonntag, 4. September, um 11.30 Uhr im Warleberger Hof sprechen Ute Erdsiek-Rave, Bildungsministerin des Landes Schleswig-Holstein, Erol Etçi-oğlu, Generalkonsul der Republik Türkei in Hamburg, Dr. Wolf-Dieter Schmidtke-Glamann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Kiel, Dr. Cebel Küçükkaraca,Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Schleswig – Holstein e.V. und Torsten Albig, Kulturdezernent der Landeshauptstadt Kiel.


Veranstaltungsort: Kieler Stadtmuseum
Eröffnung: 4.September 2005, 11.30 Uhr
Laufzeit: 4. September bis 16. Oktober 2005

Ansprechpartner:
Dr. Cebel Küçükkaraca, Landesvorsitzender TGS-H / info@tgsh.de/ Fon: 0431 - 76 114
Dr. Silke Kral, Kuratorin der Ausstellung / silke.kral@kiel.de/
Kieler Stadtmuseum, Fon: 0431 - 901 3425

Herzliche Einladung zur Pressekonferenz am 2. September 2005, 11 Uhr
Adresse: Kieler Stadtmuseum Warleberger Hof, Dänische Straße 19, 24103 Kiel

Zur Einführung
Anfang der 1970er Jahre setzte für Norddeutschland – mit zeitlicher Verzögerung zum übrigen Bundesgebiet – die aktive Umsetzung der Anwerbung von Arbeitskräften aus der Türkei ein. Vereinzelt waren seit Mitte der 1960er Jahre erste „Gastarbeiter“ nach Kiel und Schleswig-Holstein gekommen.
Zahlreiche türkischstämmige Arbeitnehmer nahmen die Gelegenheit wahr, vor Ort in Kiel bei den Schifffahrtsunternehmen MaK oder HDW zu arbeiten und (später mit ihren nach-gezogenen Familien) für einen kurz angedachten Zeitraum hier zu leben.
„Rückkehr“ lautete das Schlüsselwort für die Migranten der 1. Generation, die ihr in Deutschland erworbenes Fachwissen später gewinnbringend in der Türkei einsetzen soll-ten. Doch aus zwei Jahren Gastarbeiterdasein in Norddeutschland wurden oftmals 30 bis 40 Jahre Leben in der neuen Heimat – die Nachfrage der hiesigen Industrie nach türki-schen Arbeitnehmern war groß. Und gerade in Branchen, die von Deutschen weniger nachgefragt wurden, wie Straßenreinigung oder Müllentsorgung, hatten gerade auch we-niger qualifizierte „Gastarbeiter“ auf dem Arbeitsmarkt eine gute Chance.

PRESSETEXT
„Die Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V.(TGS-H) wünscht sich als Interessen-vertretung der Menschen türkischstämmiger Herkunft einen gleichberechtigten Umgang aller Menschen in Schleswig-Holstein, der von gegenseitiger Anerkennung unterschiedli-cher Auffassungen und Verhaltensweisen geprägt ist.
40 Jahre türkische Kultur in Kiel und in Schleswig-Holstein sind es wert, einmal genauer gezeigt und betrachtet zu werden. Wir wünschen uns, dass die Kieler Ausstellung „Jahre-lang habt ihr euch nicht um uns gekümmert“ durch Wissensvermittlung und persönliches Kennenlernen zu mehr Verständnis und Vertrauen führen wird, dass aus Unbekanntem Bekanntes wird und Fremdartiges nicht als bedrohlich empfunden wird.
Ich danke der Landeshauptstadt Kiel dafür, dass sie im Kieler Stadtmuseum diesem ge-meinsamen Bemühen eine Basis bietet.“

Dr. Cebel Küçükkaraca, Landesvorsitzender der TGS-H, Kiel


Die deutsch-türkischsprachige Ausstellung „Jahrelang habt ihr euch nicht um uns gekümmert/Yıllarca bize sahip çikmadınız” im Kieler Stadtmuseum wird in vier Räumen auf einer Ausstellungsfläche von etwa 160 qm gezeigt. Sie bietet Einblicke in die Geschichte der Arbeitszuwanderung aus der Türkei. Im Vordergrund der Schau stehen Integration und Identitätsfindung als Momentaufnahmen. Dabei erhellen die Perspektiven türkischstämmiger Zeitzeugen aus Kiel zwischen der 1. und 2. Generation die Fragen: Wie funktioniert das Leben zwischen zwei Kulturen? Wo fühlen sich die Menschen aus dem Land zwischen Orient und Okzident beheimatet?
Der Einstieg in die Ausstellung erfolgt über historische Hintergrundinformationen zur Landesgeschichte der Türkei, die deutsch-türkischen Beziehungen und die verbreiteten Orient-Reisebilder europäischer Künstler des 19. Jahrhunderts. Dies soll beantworten helfen, was wir heute tatsächlich über die Geschichte und Kultur der beinahe 10.000 in Kiel lebenden, türkischstämmigen Mitbürger wissen (Raum1).
12 von 33 im Zeitraum Februar bis Juli 2005 interviewte Migranten beantworten die auf-geworfenen Fragen zu Integration und Identität. Sie stellen sich den Museumsbesuchern über ein Portrait und eine persönliche, selbst verfasste oder gemeinsam erarbeitete Bot-schaft vor. Für das fotografische Experiment konnte der 1998 beim Landeswettbewerb Fotografie in NRW ausgezeichnete Flensburger Werbefotograf Fatih Doğaner (1. Platz des Gestaltungswettbewerbs Junges Handwerk) gewonnen werden.
Persönliche Erinnerungsstücke der Migranten, wie ein 29 Jahre altes Tagebuch oder ein Bundesverdienstkreuz für besondere Leistungen in der interkulturellen Arbeit, vertiefen die Einblicke zur Geschichte der Integration in Norddeutschland (Raum 2). Historische Zeugnisse der 1. Zuwanderergeneration aus dem Arbeits- und Familienleben seit den 1960er Jahren (Fotografien und Dokumente, wie Legitimationskarte oder Werftausweis etc.) ergänzen den empirischen Teil (Raum 3). Eine besonders tragik-komische Geschich-te erzählt eine 30 Jahre lang in einem Kieler Keller eingemottete originalverpackte Strickmaschine.
Künstlerische Arbeiten der international erfahrenen Künstler Tamer Serbay, Kiel (gleich-zeitig der Plakatgestalter), und Atif Gülücü, Preetz, geben Einblicke in schwer vermittel-bare Themen der Ausstellung: Migrationsverhalten der 1. Generation und Fremdenfeind-lichkeit. Aufgrund der von Migranten in den Interviews vielfach geäußerten Stigmatisie-rungen im persönlichen Lebensalltag gehört dem Thema Rassismus /Fremdenfeindlichkeit Raum 4. Hier geht es auch um die große Solidarisierungswelle der Deutschstämmigen mit den Migranten nach dem Brandanschlag im schleswig-holsteinischen Mölln im Jahr 1992 mit Todesfolge.
Ein zeitlich großzügiger Abriss aus der Geschichte der Arbeitszuwanderung verortet das Thema Zuwanderung aus der Türkei in der bundesrepublikanischen Geschichtsschrei-bung. Dies macht deutlich, dass Arbeitszuwanderungen ein Baustein sowohl der Welt- als auch der Regionalgeschichte sind und zu unserem Leben selbstverständlich dazugehören. Der kritische Blick der Ausstellungsmacher fordert die Fähigkeit zur Selbstkritik der Mehrheitsgesellschaft provozierend heraus: Was haben Deutschstämmige für das inter-kulturelle Miteinander in den letzten 44 Jahren getan? Welche Fragen haben sie vernach-lässigt? Alle Forschungsergebnisse werden in einem etwa 100 Seiten umfassenden Rea-der vorgestellt.
Zur Ausstellung gehört ein inhaltlich eng angelehntes Rahmenprogramm. Hier beteiligen sich u.a. die Landeszentrale für Politische Bildung (Szenische Lesung mit DarstellerInnen des Thalia-Theaters, Hamburg) und die Heinrich-Böll-Stiftung (Filmvorführungen). Vom 27.09.-28.10. zeigt die Stadtbücherei Kiel die Einzelausstellung MenschenLandschaften des Nachwuchstalents Tevfik Şenocak. Eine Finissage mit der Kunsthalle zu Kiel, dem Offenen Kanal Kiel, der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. sowie der Türki-schen Bühne Kiel am 14. Oktober setzt das Schlusslicht der sechswöchigen Schau.

Silke Kral (SK)